Nachdem ich letztens ein Zeitraffer-Video sah, bei dem sehr viel Aufwand getrieben wurde um einer Rankpflanze auf einem Balkon beim Wachsen zuzuschauen, kam mir die Idee, dass das auch einfacher zu bewerkstelligen sein sollte und das es gar nicht so schlecht wäre so ein Video mit einem Ausschnitt zu machen, der ähnlich meiner Sicht auf die Welt ist, den ich aus dem Bett nach draußen habe. Immerhin teile ich hin und wieder genau diesen Ausschnitt auf Social-Media, wenn ich etwas über dieses Draußen mitzuteilen habe.

Es müsste zu einem oder mehreren festgelegten Zeitpunkten jeden Tag ein Foto mit dem immer exakt gleichen Ausschnitt gemacht werden, am besten über ein Jahr, denn in diesem Ausschnitt steht ein großer Baum und dessen Entwicklung über die Jahreszeiten hinweg wäre wohl ein lohnendes Objekt. Anforderungen die auf jeden Fall automatisch erfolgen müssen und alles Gebastel mit im Hause vorhandenen Kameras konnte ich direkt ausschließen - viel zu aufwändig, kaum sicher zeitlich genau zu machen und jedes Bild mit dem selben Ausschnitt so zu bewerkstelligen ist auch nicht sehr wahrscheinlich. Die Idee war dann einen der vorhandenen Raspberry Pis zu nutzen und mit einem Kamera-Modul auszustatten. Allerdings fand ich keine befriedigende Lösung wie und vor allem auch wo ich das Konstrukt hätte befestigen können ohne das es ständig im Weg wäre und ggf. auch kurzfristig weggeschoben würde um z.B. ein Fenster zu öffnen - den exakten Ausschnitt würde man nur sehr aufwändig wieder herstellen können. Auch der Gedanke, dass es zwischendrin Sequenzen mit Nahaufnahmen der Tapete oder ähnliches gäbe, weil vergessen wurde die Kamera wieder zurückzustellen, war wenig erfreulich.

Meine Suche nach Lösungsmöglichkeiten in unzähligen Shops zeitigte dann aber eine Lösung von der dieser Artikel handeln soll. Ich fand ein Gehäuse, dass einen Raspberry Pi Zero zusammen mit einem Standard Kamera-Modul aufnehmen kann und fing an zu planen und die benötigten Einzelteile im Internet zusammenzusuchen. Es sollte ein WLAN fähiger Zero sein um nicht noch ein Netzwerkkabel zum Fenster legen zu müssen. Allerdings kostete der Zero W mehr als sein Nachfolger 2 W, der zwar auch in das Gehäuse passte, aber nicht mit dem Kamera-Modul zusammen?! Ich schaute mir einige Fotos unterschiedlicher Shops an und konnte partout keinen so großen Unterschied feststellen. Also beschloss ich mein Glück zu versuchen.

Harware

Lieferung ausgebreitet

Oben siehst Du zunächst einmal alle Bestandteile ausgebreitet, auf die ich später noch genauer eingehe. Von links-oben: Netzteil, Micro SD Card und Adapter, Raspberry Pi Zero 2 W, Folienkabel-Adapter für ein Kamera-Modul, Kemera-Modul, 2 Folienkabel vom Kamera-Modul und unten das Gehäuse mit einem roten Unterteil und 3 weißen Oberschalen, die je nach Einsatzzweck gewechselt werden können.

Alle Teile des Gehäuses

Tatsächlich kommt zu meinem Glück das Folienkabel-Adapter mit dem Gehäuse, denn das der Zero einen schmaleren Anschluss hat als normal kleine Pis war mir entgangen. Die Deckel von oben nach unten: geschlossen, mit Zugriff auf die Pinleiste und mit Loch für das Kamera Objektiv. Auf die Stiftleiste (die im übrigen dazu bestellt und angelötet werden müsste) kann man aber über die Unterschale eh zugreifen. Ich habe das Gehäuse bei Berrybase bestellt.

Gehäuse

Ich werde also das Oberteil mit dem Loch für das Objektiv des Kamera-Moduls nutzen. Das Gehäuse bleibt mit Raspberry Pi Zero 2W und Kamera-Modul übrigens nicht sicher verschlossen. Ein Tropfen Sekundenkleber würde das beheben, allerdings werde ich das Konstrukt in eine Klemme eines Schwanenhalses stecken, der es auch zusammenhält.

Kamera Modul

Das Kamera-Modul (die Schutzfolie mit dem roten Fähnchen am Objektiv habe ich noch entfernt) kommt mit zwei Folienkabeln, die in die CSI-Schnittstelle der normalen Pis (aktuell Raspberry Pi 5) passt. Es gibt recht viele passende Module, ich verwende aber die 5MP Kamera für Raspberry Pi.

Raspberry Pi Zero 2W

Den Raspberry Pi Zero 2 W habe ich nur gewählt, weil zum Zeitpunkt meiner Bestellung der Raspberry Pi Zero W teurer war, bin aber mit dem Zugewinn an Rechenleistung jetzt recht glücklich. Aktuell ist er aber wieder einen € günstiger als sein jüngeres Geschwisterchen. Folgend einmal die Unterschiede bzw. welche Komponenten sich die Zeros teilen.

Raspberry Pi Zero W Raspberry Pi Zero 2 W
1 Core CPU vom Raspberry Pi 1 Quad-Core CPU wie beim Raspberry Pi 3
512MB RAM
On-board Wireless LAN - 2.4 GHz 802.11 b/g/n
On-board Bluetooth 4.1 On-board Bluetooth 4.2
micro-SD Slot
mini-HDMI Typ C Anschluss
1x micro-B USB für Daten
1x micro-B USB für Stromversorgung
CSI Camera Connector
Unbestückter 40-Pin GPIO Connector
Kompatibel mit vorhanden pHAT/HAT Add-On Boards
Abmessungen: 65 x 30 x 5mm
 

Interessant ist der Vergleich der Prozessoren. Der Raspberry Pi Zero W verwendet einen Single-Core Broadcom BCM2835-Prozessor, basierend auf der ARMv6-Architektur und ursprünglich aus dem Raspberry Pi Modell B stammend. Der Raspberry Pi Zero 2 W kommt hingegen mit einem deutlich leistungsfähigeren Quad-Core Broadcom BCM2710A1-Prozessor, der auf der aktuelleren Cortex-A53-Architektur basiert und bereits im Raspberry Pi 3 Verwendung fand, allerdings hier auch lediglich mit 1 GHz taktet wie der Zero W. Damit ist der "Neue" etwa 5 mal so leistungsfähig wie das ältere Geschwisterchen.

SD Card & Adapter

Als Festspeicher habe ich eine SanDisk Extreme MicroSDXC Card mit 128gb gewählt, die recht schreibfest und deutlich schneller als benötigt ist. Mit so viel Speicherplatz ist es auch kein Problem den Bilderdownload mal ein paar Wochen zu vergessen.

Software

Es wird außer dem Betriebssystem keine weitere Software benötigt, da das Raspberry Pi OS bereits alle notwendigen Bestandteile mitbringt. An einem PC mit SD oder MicroSD Card Leser ist das Raspberry Pi OS schnell auf der Karte. Du benötigst dazu den Raspberry Pi Imager, der alles weitere erledigt. Ich verwende dazu das Raspberry Pi OS Lite in der 64-bit Version. Solltest Du Dich für den Raspberry Pi Zero W entschieden haben, muss es die 32-bit Version sein! Neben der Auswahl des Betriebssystems erlaubt der Raspberry Pi Imager auch gleich die WLAN Daten anzupassen, einen Benutzer samt Passwort zu erstellen (Public Keys würde ich an dieser Stelle noch nicht einrichten) und den SSH Server zu aktivieren bevor das Image auf die SD Karte geschrieben wird. Die Möglichkeit solltest Du unbedingt nutzen, denn dann ist der Zero nach dem ersten Start sofort aus der Ferne nutzbar.

Zusammenbau

Die bespielte MicroSD in den Raspberry Pi stecken und das goldene, kurze Folienkabel mit der schmaleren Seite des Kabels an der dem SD Slot gegenüberliegenden Seite des Zero einstecken. Dazu muss zunächst der schwarze Bügel geöffnet, dann das Kabel bis zum Anschlag eingeführt (Kontakte Richtung Platine) und der Bügel wieder geschlossen werden um das Folienkabel zu arretieren. Auf der anderen Seite des Folienkabel schließt Du dann das Kamera-Modul an, wobei das Objektiv zunächst nach unten zeigt. Jetzt wird der Zero in die rote Unterschale gesetzt. Die Ausrichtung ergibt sich aus den Anschlüssen bzw. den dazu passenden Löchern in der Unterschale. Mit leichtem Druck auf den Zero rastet der fühlbar ein. Nun das Kamera-Modul auf die weiße Oberschale mit dem Loch stecken, so das es über den vier erhöhten Kreuzen einrastet. Jetzt kann das Gehäuse verschlossen werden - mit dem Zero 2 W wird es aber nicht ohne Hilfe geschlossen bleiben! Bei mir wird das Gespann in die Klemme eines Schwanenhalses gesteckt, die sie zu hält. Wie auch immer Du das löst, der Raspi benötigt jetzt nur noch sein Netzteil damit es losgehen kann.

Konfiguration

Der erste Start des Raspberry Pi Zero 2 W benötigt etwas Zeit. Übe Dich also in Geduld, wenn die Anmeldung über SSH nicht gleich funktioniert. Ich nutze die PowerShell unter Windows um auf den Zero zuzugreifen:

PS> ssh benutzer@hostname

Statt eines Hostnamens kann auch die IP des Zero (Dein Router kann Dir Auskunft darüber erteilen) genutzt werden. Statt benutzer trägst Du den Benutzernamen ein, den Du im Imager festgelegt hast. Der Zero fragt anschließend das Passwort dazu ab und übergibt an die Shell. Als erstes müssen einige grundlegende Einstellungen angepasst werden. Dazu startest Du das raspi-config Programm mit administrativer Berechtigung.

sudo raspi-config
  • System options: Hostname ändern bzw. festlegen
  • Interface options: SPI Schnittstelle aktivieren
  • Localisation options: Locale, Time zone, Keyboard und WLAN country einstellen
  • Advanced options: Expand filesystem
  • Finish

Nachdem Finish gewählt wurde fragt das Programm ob ein Neustart durchgeführt werden soll, was Du mit yes beantworten solltest. Der Zero bootet und wird beim Starten das Dateisystem auf die gesammte Größe der MicroSD Karte erweitern. Der Start kann also noch einmal etwas mehr Zeit beanspruchen, bevor Du Dich erneut anmelden kannst. Nach erneuter Anmeldung über SSH kannst Du jetzt prüfen, ob die Kamera erkannt wird.

rpicam-vid --list-cameras

Available cameras
-----------------
0 : ov5647 [2592x1944 10-bit GBRG] (/base/soc/i2c0mux/i2c@1/ov5647@36)
    Modes: 'SGBRG10_CSI2P' : 640x480 [58.92 fps - (16, 0)/2560x1920 crop]
                             1296x972 [46.34 fps - (0, 0)/2592x1944 crop]
                             1920x1080 [32.81 fps - (348, 434)/1928x1080 crop]
                             2592x1944 [15.63 fps - (0, 0)/2592x1944 crop]

Das Werkzeug kannst Du dann auch nutzen um die Kamera auszurichten. Dazu startest Du es als Streaming-Server:

rpicam-vid -n -t0 -l -o tcp://0.0.0.0:8494

Darauf zugreifen kannst Du z.B. mit dem VLC Media Player. Im Menü unter Medien Netzwerkstream öffnen ... (Strg+N) und dort tcp/h264://hostname:8494 eingeben, wobei hostname mit dem Hostnamen oder der IP Adresse Deines Zero zu ersetzen ist. Nach dem Bild im VLC kannst Du jetzt Deinen Zero ausrichten und ggf. die Ausrichtung sichern. Das Beenden des VLC beendet auch den Streamingserver wieder.

Jetzt fehlt nur noch die automatische Auslösung um ein Bild zu vorher bestimmten Zeiten zu machen. Ich nutze dazu cron, das aufgerufen mit crontab -e gleich einen Editor aufruft und die crontab nach dem Speichern für Deinen Benutzer im System hinterlegt. Mein Eintrag sieht wie folgt aus:

0,30 8-16 * * *         rpicam-still -n -o ~/zeitraffer/img-$(date +"\%Y\%m\%d-\%H_\%M").jpg > /dev/null 2>&1

Es wird also zu Minute 0 und Minute 30 in den Stunden 8 bis 16 (halbstündlich von 8:00 Uhr bis 16:30) jedes Tages mit dem Werkzeug rpicam-still ein Bild aufgenommen. Der Parameter -n verhindert ein Vorschaubild und -o übergibt den Dateinamen indem ich Datum und Zeit codiere und dessen Ausgaben (standard und error) verworfen werden. Die Kamera-Werkzeuge sind in der Dokumentation gut beschrieben.

Um die Installation abzuschließen sollte jetzt noch ein vollständiges Upgrade angestoßen werden!

sudo apt update && sudo apt upgrade -y --autoremove

Beispiel

Um ein erstes Ergebnis zeigen zu können, habe ich die Bilder der ersten beiden Tage genommen. Am Ende des Jahres wird es vermutlich sinnvoller sein lediglich ein Bild jedes Tages auszuwählen, aber das sehe ich wenn es soweit ist.

Im Fediverse kann mitdiskutiert und Fragen beantwortet werden.

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